Gesundheit
Reisen & Kultur
Gästeführer
Impressum
Button-Link
 
 
Wald im Wandel der Zeiten
Museum Forsthaus Gabelbach – ein Juwel in freier Natur

Nicht weit vom Gipfel des höchsten Berges in Thüringen, dem Kickelhahn im Thüringer Wald, werden Wandersleute überrascht: Mitten in der Natur steht ein spätbarockes mit braunem Holz verkleidetes Haus. Es war das Jagdhaus der Herzöge von Sachsen-Weimar, und sie nutzten es gerne und oft. Nur der Sohn von Goethes Freund Herzog Carl-August nutzte es selten.


Heute beherbergt das Haus ein Museum mit zwei Themenbereichen. Im Erdgeschoss wird beschrieben, welche Tiere im Thüringer Wald leben, und Kinder wird freuen, dass man auf Knopfdruck etwa 14 verschiedene Vögel und Säugetiere hören kann. Danach weiß man, dass der Auerhahn wegen der Klickgeräusche in seiner Balz auch „Kickelhahn“ heißt – so wie der ganze Berg. Oder dass man neulich keinen Dackel im Wald hörte, sondern dass auch Rehe „bellen“.

Waldvernichtung und Waldrettung

Wichtig ist die historische Dimension auch des Themenbereichs Natur. Denn bis ins 19 Jahrhundert wurde der Wald so intensiv genutzt, dass riesige Kahlflächen entstanden, wo heute wieder Bäume wachsen. Das beruhte darauf, dass man vom Walde viel mehr nutzte als wir uns heute vorstellen: Bauholz, Holz für die Erz- und Kohlegruben der Umgebung, Holz zum Heizen in der Glas- und Porzellanindustrie, Brennholz überhaupt, Holz zur Gewinnung von Harz, Pech und Pottasche. Der Bedarf war so groß, dass man nach dem Fällen sogar die Wurzelstöcke ausgrub und nutzte.

Anfang des 18. Jahrhunderts aber bemerkte keine Geringere als Herzogin Amalia, was passieren würde, wenn man weiterhin Raubbau am Walde betriebe. Sie ordnete an, dass die Forstbereiche vermessen und erfasst und junge Bäume angepflanzt würden. Das war ein Erfolg, und mehrere Forstschulen wurden gegründet. Zunächst fütterte man die Flächen mit den schnellwachsenden Fichten. Bis der Borkenkäfer sich ausbreitete und Stürme viele Bäume umwarfen. Da begannen die Menschen, etwas von „Nachhaltigkeit“ zu verstehen und pflanzten wieder ursprünglichen Mischwald.

Jede Art von Jagd

Die Jagd war ein Privileg des Adels. Er versorgte sich mit gutem Fleisch. Eine Zeit lang bemerkte man Wildverbiss an den Bäumen. Das trieb die Jäger an, die Menge des Wildes unter Kontrolle zu halten. Sie legten eine Art Schützengräben an, in Abständen zueinander kleine Schutzhütten, dann lockten sie das Wild mit Salzsteinen an und erschossen es aus den Gräben heraus. Jagd – aber was ist denn der Unterschied zwischen Sauhatz, Parforce-Jagd, hoher Jagd, umstelltem Jagen, Treibjagd, Pirsch? Was wurde jeweils dabei gejagt? Das Museum zeigt es.

Das Obergeschoss des Hauses ist dem Dichter, Minister und Naturforscher Goethe gewidmet. Die Räume sind weitgehend mit Originalmöbeln seiner Zeit ausgestattet, darunter einigen aus dem Bestande seiner Freundin Charlotte von Stein. Der Festsaal in der Südwestecke und mit den weißen Möbeln spricht so freundlich an, dass man gleich Platz nehmen und Kaffee und Kuchen bestellen möchte. Hauptthema sind die Weggefährten Goethes im Umkreis von Ilmenau. Seine ministerielle Aufgabe im Bergbau von Ilmenau weckte in ihm eine Neugier auf die gesamte Natur, und er pflegte intensiven Kontakten zu allen möglichen Experten, die ihm etwas zu Gestein oder Bewuchs sagen konnten und verarbeitete diese Kenntnisse in naturwissenschaftlichen Schriften ebenso wie in Dichtwerken.

Eine museale Meisterleistung

Diese Informationen werden im Museum präsentiert, wo sie zum Teil beheimatet sind – inmitten der Natur – und wo die Kontakte damals gepflegt wurden. Das ist eine schöne Fügung. Sie wäre verlorengegangen, wenn sich nicht Ende des 19. Jahrhunderts ein Kulturverein namens „Gemeinde Gabelbach“ gebildet hätte, der sich für den Ausbau des Jagdhauses als Goethe-Gedenkstätte eingesetzt und es in dem Sinne gefördert hätte. Heute wird das Museum Jagdhaus Gabelbach als Teil des Museums Goethehaus von der Stadt Ilmenau gepflegt und unterhalten. Von 2010-17 wurde es grundlegend saniert und bis hin in die ursprüngliche Farbgebung renoviert. Erstaunlich und bewundernswert ist, wie die Museumsfachleute es schafften, so viel eingehende Information zu vermitteln während das Haus sparsam gefüllt ist, so dass man entspannt durch alle Räume spazieren kann.


Mit einem einfachen Kohlestift schrieb Goethe sein Gedicht auf die Holzwand.

Bevor man dann den Gipfel des Kickelhahns und seine Gaststätte erreicht, kommen die Wandersleute noch an einer weiteren kleinen Goethe-Gedenkstätte an einem Aussichtspunkt vorbei. Sie nennt sich „Goethe-Häuschen“ und ist berühmt, weil der Dichter im Jahre 1780 hier sein berühmtes Gedicht „Ein Gleiches“ (Über allen Gipfeln ist Ruh) auf die Holzwand schrieb. Es zählt zu den meistübersetzten und meistvertonten Gedichten Goethes. Der Bau des Turmes auf dem höchsten Berge Thüringens wurde von Großherzogin Maria Palowna 1852 angeregt. Das Ensemble der hier gebotenen Erlebnisse – Wanderung, Museum, Goethe-Häuschen und Kickelhahn ist größer als die Summe ihrer einzelnen Teile und kann nur nachdrücklich empfohlen werden.

Hamburg, im Februar 2024

A Martin Steffe


Aussicht vom Kickelhahn auf Ilmenau