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B-Vitamine vermindern atherosklerotische Morbidität

Mainz. Rauchen und Fettstoffwechselstörungen können nur etwa zwischen 30 und 50 Prozent aller kardiovaskulären Ereignisse erklären. Homocystein jedoch ist ein unabhängiger Risikofaktor, der auch dann signifikant unterschiedlich ist, wenn z.B. die Plasmalipoproteinparameter keine Unterscheidung zwischen krank und gesund zulassen. Patienten mit atherosklerotischen Gefäßerkrankungen des Herzens, peripherer arterieller Verschlußkrankheit, zerebraler Ischämie oder venösen thromboembolischen Erkrankungen haben immer signifikant höhere Hcy-Spiegel in Plasma oder Serum. Leider wird die kostengünstige, einfache und gut verträgliche Therapie mit Vitamin-Kombinationen nicht von den Kassen übernommen. Aufgabe des Arztes ist es daher, im Gespräch die Betroffenen oder Risikopatienten zu motivieren, sich diese wirksame Hilfe selbst zu gönnen.

Homocystein ist ein Intermediärprodukt, das kurzzeitig bei der Übertragung von Methylgruppen im Aminosäurestoffwechsel aller Zellen entsteht. Es hat keine eigene Aufgabe. Die im Homocysteinkatabolismus zuständigen Enzyme benötigen die Vitamine B6, B12 und Folsäure als Koenzyme und Methyldonatoren angewiesen.

Entscheidend für valide Messungen ist, dass das Blut bis höchstens 60 Minuten unsepariert steht. Denn sonst geben die Blutzellen weiterhin Homocystein ins Plasma ab, und es kommt zu flasch hohen Werten. Einfrieren von Proben stellt jedoch kein Problem dar.

Streng sein auch ohne exakten Normwert

Ein Normwert kann aus Mangel an vielen zuverlässigen Studien noch nicht eindeutig errechnet werden. Bislang hielt man in Europa Werte bis zu 15 µmol/L für in Ordnung. In den USA hat man sich bereits für höchstens 10 µmol/L entschieden. Denn aus klinischen Studien geht hervor, dass jede Erhöhung der Nüchtern-HCy-Konzentration von 5 µmol/L oberhalb des Wertes von 10 µmol/L mit einer Erhöhung des Risikos einer koronaren Herz-Erkrankung bei Männern um 60 und bei Frauen um 80 Prozent einhergeht.

Mehrere Eigenschaften tragen dazu bei, dass der Metabolit so aggressiv ist und die Gesundheit der Gefäße beeinträchtigt. Das sind zunächst die in ihm eingeschlossenen SH-haltigen Sulfidgruppen, die in der Zelle kovalente Verbindungen bilden. Homocystein setzt Wasserstoffperoxid frei und bindet das für die Gefäßrelaxation wichtige Stickoxyd. Hcy ist also so gefährlich, weil es sowohl Radikale bildet als auch Radikalfänger ausschaltet. Im Hirn konkurriert Homocystein mit Rezeptoren. Daraus sind viele Formen der Demenz und auch der Depression erklärbar.

Hauptursache für erhöhtes Homocystein ist der Mangel an den Vitaminen B6, B12 und Folsäure. Auch alte Menschen, die sich gut ernähren, können hier einen Mangel aufweisen, da die Darmresorption im Alter geschwächt ist und der Darm somit ein durchaus vorhandenes Nährstoffangebot nicht ausreichend nutzen kann. Erschweren kommt hinzu, dass die Nierenfunktion im Alter ohnehin nachläßt. Die Niere ist der Hauptausscheidungsweg für Homocystein. Kommen dann noch Nierenerkrankungen hinzu, so dürfen Werte von 30 µmol/L nicht überraschen, sie erfordern jedoch sofortige Intervention, am besten per Injektion i.m. Es wird auch erklärbar, wieso Niereninsuffiziente mit Dialysebehandlung in überaus hohem Maße an Gefäßerkrankungen sterben.

Vitamin-Bedarfsmengen müssen erhöht werden

Therapiestudien ergaben, dass jedes der Vitamine für sich genommen bereits HCy-senkend wirkt. Es gibt jedoch manchmal ein paar Ausreißer in der Statistik, deren HCy-Werte stiegen. Bei Anwendung der Vitaminkombination (z.B. Medivitan® N) kam es jedoch nicht zu Anstiegen sondern nur zu deutlichen Senkungen. Im Vergleich zu den von den Ernährungsinstituten angegebenen erforderlichen Werten des Vitaminbedarfs sind die bedenklichen HCy-Anstiege schon zu verzeichnen, wenn die Werte sich noch im mittleren Bereich bewegen. Es ist von daher zu überprüfen, ob die Mindestmengen oder Untergrenzen des Vitaminbedarfs nicht angepaßt werden müssen. Die meisten handelsüblichen B-Komplexe sind gemessen am Therapiebedarf unzureichend hoch.

Eine jährliche Messung reicht

Die Messung des HCy-Wertes kostet rund 20 Euro. Da das Homocystein intraindividuell nicht so starken Schwankungen unterworfen ist wie etwa Cholesterin oder Zucker, reicht eine einmal jährliche Messung. Die Tagestherapiekosten liegen bei 60 Cent. Mit besonderer Begründung (z.B. Familienanamnese) kann der Arzt erreichen, dass die Kosten von der Krankenkasse übernommen werden. Er sollte in jedem Falle entschieden und engagiert auf den Patienten einwirken, dass er sich selbst versorgt, um sich vor sicherer Morbidität oder frühen Mortalität zu schützen. Das Engagement ist nötigt, weil die Tatsache, dass die Vitamine nicht von der Kasse bezahlt werden, alleine schon dem Patienten suggerieren kann, dass die Therapie auch medizinisch nichts wert ist, da sie ja nicht bezahlt wird. Die Vitamineinnahme kann ohne weiteres beibehalten werden, da es keine Unverträglichkeiten oder Nebenwirkungen gibt. Wasserlösliche Vitamine können sich nicht zu Hypervitaminosen aufspeichern.

Die Gefährdung durch zu hohes Homocystein ist rasch aufzuzählen: LDL-Partikel von Patienten mit Hypercholesterinämie enthalten bis zu viermal so viel Hcy wie diejenigen gesunder Vergleichspersonen. Auch in die Lipoproteine HDL, und VLDL wird Hcy eingebaut. Man nimmt daher an, dass Hcy die prothrombotischen Eigenschaften von Lp (a) verstärkt. Aus Südafrika wurde berichtet, dass über 40 Prozent der Patienten mit Angina pectoris pathologisch hohe Werte aufweisen. Auch in der amerikanischen Physicians’ Health Study hatten die Ärzte, bei denen ein Koronarereignis auftrat, signifikant erhöhte HCy-Werte.

Vierzigfach höheres Schlaganfallrisiko

Auffällig ist auch die eindeutige Korrelation zwischen Höhe des HCy-Wertes und der Schwere der Erkrankung (Ein-, Zwei-, Dreigefäßerkrankung). Die Ergebnisse aller Studien zum Schlaganfall fallen noch eindeutiger als bei koronaren Herzerkrankungen: Durch erhöhtes Homocystein ist das Schlaganfallrisiko 40-fach erhöht (zum Vergleich: durch Hypertonus 18-fach und Rauchen 3,6-fach). Vom hereditären Enzymdefekt, der Homocysteinurie, ist hingegen nur 1 Prozent der Bevölkerung betroffen. Umgekehrt läßt sich der Wert der Vitamingabe jedoch auch nachweisen: Nach einjähriger Beobachtungszeit von 50 Patienten mit Risiko zerebraler Durchblutungsstörungen wies die sonografische Untersuchung der hirnversorgenden Arterien einen Rückgang der Intima-/Media-Dicke zwischen 0,05 und 0,2 mm nach.

„Das einfache Konzept der Vitaminsupplementierung zu propagieren und anzuwenden liegt im höchsten Interesse jedes einzelnen der Patienten und des gesamten Gesundheitssystems”, resümierte Prof. Dr.med. Uwe Till, Jena, sein Referat. Aufgrund einer Untersuchung unter 100 deutschen Arztpraxen resümierte Prof.Dr.med. Benno König, Mainz, dass die Ärzte ausreichend gut über Homocystein und seine Folgen oder Therapie informiert sind und es nur auf die Umsetzung ankomme.

A.Martin Steffe