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Vorsicht ist die Mutter der Geschmacksverstärker-Kiste

Hersteller umgehen nur das Wort, nicht die Zusatzstoffe

Glutamat ist als Zusatzstoff offiziell zugelassen, weil es einen ähnlichen Stoff im Körper gibt. Es bestehen jedoch Hinweise und erste Untersuchungen, dass Leute nach Besuch entsprechender Restaurants ein China-Restaurant-Syndrom bekommen, dass sie mehr essen als sonst und dass Augen- und Nervenerkrankungen auftreten. Seitdem wird der Hilfsstoff sparsamer eingesetzt, aber das wird durch mehr Glutamat-Ersatzstoffe (Hefeextrakt, hydrolisiertes Pflanzeneiweiß) wieder wett gemacht.

Im Körper findet sich ein bestimmter Eiweißbaustein, die Aminosäure Glutaminsäure. Wenn diese sich mit Mineralstoffen verbindet, entsteht Glutamat. Glutaminsäure wirkt eindeutig auf das Zentralnervensystem und ist daher keinesfalls harmlos. Ihre Auswirkungen sind nur noch nicht im Einzelnen geklärt.

Wozu überhaupt den Zusatz?

Je länger Käse oder Schinken reifen, desto mehr erhöht sich ihr Gehalt an Glutaminsäure, und desto intensiver wird ihr Geschmack. In Schinken steigt der Gehalt nach 12 Monaten auf das 10-25fache des ursprünglichen Gehaltes. Nur die freie Glutaminsäure bewirkt den Geschmackseindruck, den die künstlichen erzielen sollen, nämlich hauptsächlich in Fertigprodukten, in denen damit zu rechnen ist, dass sie das Aroma der frischen Zutaten verlieren. Schon Babies gaben in Tests zu erkennen, dass ihnen der Geschmacksverstärker behagt, während sie auf Bitteres und Herbes unwillig reagierten. In Lebensmitteln soll die pikant-herbe Richtung verstärkt werden.

Die gebundene Glutaminsäure – etwa im Körper oder auch in Lebensmitteln – schmeckt nicht intensiv und wirkt auch nicht geschmacksverstärkend. Die zugelassenen Geschmacksverstärker (auch wenn sie so nicht genannt werden) tragen die Zulassungsnummern E620-25 und in abgewandelten Formen E626-635. Verwandt werden auch Beimischungen mehrerer Stoffe. Im Körper werden sie zu Harnsäure abgebaut. Daher sollten Leute mit hohen Harnsäurespiegeln oder Gicht besonders vorsichtig sein. Wenn ein natürlicher Stoff wie Hefe als Ausgangsstoff benutzt wird, muss Gentechnik nicht angegeben werden.

Beeinflusst Glutaminsäure die Sättigung?

Gesichert ist, dass Glutaminsäure im Zentralnervensystem wie ein Neurotransmitter wirkt. Wenn umgekehrt Schäden oder Störungen des ZNS vorliegen, wird vermehrt Glutaminsäure ausgeschieden. Das ist bei den bekannten Krankheiten wie Altersdemenz, M. Parkinson, M. Alzheimer und Epilepsie der Fall. Manche Medikamente für Alzheimer verfügen über genau die Eigenschaft, Glutaminsäure zu bremsen. Fachleute halten daher für sinnvoll, davon auszugehen, dass es Menschen mit einer erhöhten Glutamat-Empfindlichkeit gibt. Von daher ist das Vermeiden ein wichtiges Verhalten, das Unterstützung verdient. Ferner ist erwiesen, dass Glutaminsäure das Sättigungshormon Leptin hemmt, so dass man geneigt ist, zu viel zu essen.

Weltweit werden jährlich 1,5-2 Mio. t Glutamat produziert. Durchschnittlich nehmen Deutsche 150 g im Jahr zu sich, das entspricht 16 gestrichenen Esslöffeln, und etwa 04 g pro Tag. Asiatische Fertignudelgerichte enthalten bis zu 700 mg pro 100 g und liegen damit nicht nur an der Spitze sondern auch jenseits des Erlaubten. Denn das sind bis zu 1% des Lebensmittels oder 1.000 mg pro 100 g. Der Beschuss der Lebensmittel ist ein weiteres Zeugnis dafür, wie die Menschen heute ständig und in allem auf der Suche nach dem „Kick“ sind.

Was macht Fischpulver in Chips?

Auch die Bezeichnung „natürliche Aromen“ ist irreführend. Sie sagt erstens nichts über deren Wirkung und zweitens nichts darüber, wie die natürlichen Ausgangsstoffe weiterbehandelt wurden, etwa genetisch, mithilfe von Bakterien oder Salzsäure. Daher ist Misstrauen angebracht. „Natürlich“ im landläufigen Sinne ist ein Aroma nur, wenn es einen konkreten Zusatz wie „natürliches Erdbeeraroma“ aufweist.

Guter Rat ist hier nicht teuer: Glutamate vermeiden, Lebensmittel mit viel Glutamat vermeiden, Extrakte vermeiden. Oder positiv. Möglichst viel frisch und selbst zubereiten. Das kleine Bändchen liest sich angenehm leicht, ist frei von falscher Angstmache und ist erstaunlich hilfreich mit seinen Tabellen: nicht alleine der differenzierten Hauptliste der Lebensmittel sondern auch der Liste zugelassener Hilfsstoffe, einer Liste, was man mit den wirklichen Würzkräutern alles machen kann. Dazu kommen Rezepte für selbstgemachte Brühen, Wegweiser zum Auswärtsessen. Und dank seiner Postkartengröße kann man das übersichtliche Heftchen sogar überall hin mitnehmen.

A. Martin Steffe

Martin, Hans-Helmut: Richtig einkaufen ohne Glutamat. 550 Fertigprodukte und Lebensmittel. Stuttgart 2012 (Trias). ISBN 978-3-8304-3938-7. 114 S.