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Buchbesprechungen

Das Buch, das zusammenwachsen hilft

Autobiografie eines Arztes von Ost und West

„Dass Demokratie aber Disziplin und Selbstdisziplin verlangen, darüber dachte niemand nach, übrigens im Westen leider auch immer weniger.“ Die Autobiografie des Arztes Karl Otto Kagel ist dadurch ausgezeichnet, dass er auf ein langes und sogar erfolgreiches Berufsleben in der DDR zurückblicken und es mit einem langen erfolgreichen Berufsleben in der Bundesrepublik vergleichen kann, nachdem er noch 1988 geflohen war. Bis dahin hatte er schon manches andere Leben untergehen, oder manche anderen Leute fliehen gesehen. Besonders überrascht, von ihm als Internem zu hören, wie viele Stasi-Angeheuerte sich auf welche Weise noch im Osten, zu DDR-Zeiten schon im Westen und auch nach Grenzöffnung im Westen verdingten. Immer wieder dringt durch alle Zeilen, was für ein außerordentlich guter Mediziner Kagel war, denn sein ärztlicher Blick ist erkennbar, der sachverständige Blick, der durch kein Gerät zu ersetzen ist. Ungewöhnlich erfrischend ist Kagels Schreibweise. Ganz untypisch für Mediziner, die normalerweise farblos und dröge schreiben, ist Kagels Buch sogar noch herrlich mit mecklenburgischem Platt gewürzt, und die Struktur des Buches ebenso wie der Schreibstil haben viel mehr von Szenen-Darstellung denn bloßem Erzählen, und der Leser wird zum Zuschauer. Aber das Entscheidende ist, dass man hier ein Buch an die Hand bekommt, in dem mit Scharfblick die Schwächen sowohl von Ost als auch von West dargestellt werden. Wem immer an einer guten Weiterentwicklung der früheren deutschen Staatshälften gelegen ist, der sollte sich anhand diesen Buches kompetent machen.

A. Martin Steffe

Karl Otto Kagel: Geschenksendung, keine Handelsware. Chronik einer langen Flucht. Dinslaken 2010 (AtheneMedia). ISBN 978-3-86992-047-4