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Stockholm hat etwas zum Wein zu sagen

Das „Wein- und Alkoholhistorische” ist ein Muster von Museum

Ein Weinmuseum in der Pfalz oder in Chateauneuf-du-Pape oder in der Estremadura würde keinen überraschen. Aber in Stockholm ein Weinmuseum? Ist das etwa nur so eine gut gemeinte kleine Privatinitiative?

Nein, Stockholms Museum zu Wein und anderen Alkoholgetränken ragt unter vielen Museen hervor. Selten wird ein Thema so gut aufbereitet, selten sind die Darstellungsmittel eines Museums so großartig und durchdacht wie in diesem Museum. Hinterher meint man, in einer Sonderausstellung gewesen zu sein, deren Aufwand vier Museen und drei Länder zusammen geleistet hätten. Darüber hinaus ist es auch noch ästhetisch ein Genuß.

Gewiß versteckt sich das Museum etwas abseits am Nordrande des Zentrums im Stadtteil Vasastaden, gleichwohl an der Ecke zu der großen Durchgangsstraße Norra Stationsgata. Die meisten anderen Museen Stockholms drängen sich ja im Umkreise der Altstadt, Gamla Stan. Und dann muß man auch noch in den vierten Stock. Also, die schwedischen Moralapostel und das Systembolag können wohl nichts gegen diese bescheidene Existenz eines Museums zu Schwedens meistgefürchtetem Thema haben.

Klar, Schweden berichtet natürlich nicht von einem eigenen Weinanbau. Es hat vielmehr zum Thema, das alkoholische Getränk überhaupt und dann vor allem den Wandel in den Trinkgewohnheiten darzustellen. Zunächst einmal wird einem gleich beim Eingang die Weinrebe gezeigt. Wie sie wurzelt, wie sie gepflegt wird, wo welche Rebsorten bevorzugt werden. So wird das auch nicht überall gezeigt. Es wird an vielen Stätten bereits vorausgesetzt.

Wer hat schon einmal die Etiketten auf Flaschen studiert (über die albern klingenden Namen hinaus)? Was müssen sie angeben? Auf welche gesellschaftlichen Erwartungen spielen sie an? Wie vertreten sie die vorherrschenden grafischen Stilrichtungen? Hier ist diesen Fragen eine eigene Vitrine gewidmet.

Grandios ist die Duftorgel. An nicht weniger als 55 Proberöhrchen kann man eine kleine Fingerpumpe betätigen und riechen, was für ein Aroma eine Pflanze wohl spendet. Hinter einem Kläppchen erfährt man Näheres zur Pflanze. Durch Betätigen eines Druckknopfes kann man sich zeigen lassen, welche dieser Ingredienzen welchem bekannten alkoholischen Getränke beigemischt sind. So kann auch der Nichtalkoholiker etwas genießen, der nicht im Anschluß zur Weinprobe schreiten mag. (Espresso gibt es auch.)

Geschichte. Man kann sehen, wie früher ein Weinhandel geführt wurde, wie um 1930 eine Fabrik für Alkoholika funktionierte. In einer Ecke wird man speziell über den Wein und seine Verbreitung von der Antike bis heute informiert. Ein anderes Gerät hat über 200 Trinklieder gesammelt, die man sich anhören kann. Es wird auch jährlich ein Wettbewerb zu neuen Schnapsliedern ausgelobt, zu dem das Museum einen Preis vergibt. Darüber hinaus hat es die Texte von 2.000 Trinkliedern gesammelt. Schwedens Lieblingsbarde des 18. Jahrhunderts, Carl Bellman, ist darunter reichlich vertreten.

Aber auch Randthemen sind nicht vergessen. Alkohol war früher teilweise das einzige Herstellungs- und Konservierungsmittel für Heilmittel. Vor der Entdeckung des Sprengstoffs wurde Branntwein auch für Waffen und Sprengmittel eingesetzt.

Im 17. Jahrhundert war Branntwein ein Volksgetränk. Im ganzen Schwedenland wurde er von den Leuten selbst hergestellt. Beispiele für das primitive Gerät stehen im Museum. Im 18. Jahrhundert wurde Punsch populär, aber man trank ihn da kalt. Mit der Entwicklung des Reiseverkehrs in die Mittelmeerländer stieg in Schweden auch der Weinkonsum. Wann und wie kann man genau ablesen. Die schwedische Trinkgeschichte ist überhaupt am besten dargestellt - das liegt nahe - und man kann sich anhand eines grafischen Computerprogramms in Erstaunen versetzen lassen, wie sich der Konsum der jeweiligen Getränke beispielsweise auch infolge der Weltkriege änderte.

Dank der Vorbereitung durch diese Übersichten kann man noch mehr mit den Vitrinen anfangen, in denen liebevoll dargestellt wird, wie im 18. oder 19. Jahrhundert die Tafel gedeckt wurde, in welcher Abfolge welche Getränke den Männern und welche den Frauen gereicht wurden.

Das Museum verfügt auch über eine Referenzbibliothek zum Thema, und man kann sich im Anschluß an die Runde vorstellen, dass es da manches interessante Thema zu finden gibt. Übrigens auch auf Englisch, ebenso wie viele der Erläuterungstexte auf Englisch erhältlich sind. Die Erläuterungen gibt es auch über Kopfhörergeräte.

Das Vin och Sprithistoriska Museet hat dann außerdem noch freundliche Öffnungszeiten: 10 bis 16 Uhr, dienstags sogar bis 19 Uhr, und von März bis Mai und Oktober bis Dezember sogar bis 21 Uhr! Man kann einen Besuch also bequem anschließen, wenn andere Museen bereits geschlossen haben. Und bei alledem kostet der Eintritt auch nur 40 Kronen, während der Preis der meisten Stockholmer Museen ab 60 Kronen beginnt. Im Juni, Juli und August kostet der Spaß dienstags bis freitags sogar nur 20 Kronen. Führungen werden um 12.30 und 14.00 Uhr angeboten.

A. Martin Steffe