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Uppsalas vierter Hügel

Zu drei Königsgräbern kommt ein herausragendes Museum

Alt-Uppsala nur wenige Kilometer nördlich von Uppsala - es ist ein herrlicher Spazierweg aus der stimmungsvollen Studentenstadt - war schon in ältester Zeit besiedelt. Seinen Höhepunkt erlebte es zur Völkerwanderungs-zeit im 5. und 6. Jahrhundert n.Chr. Es war einer der wichtigsten Kultorte im alten Skandinavien und – das ist das über-raschende Ergebnis der Chronik – hat seine besondere Beachtung durch alle Jahrhunderte bewahrt.

 

Gamla Uppsala Museum

Der isländische Dichter Snorri Sturluson berichtet in seinen „Heimskringla“ auch über Uppsala, die Hauptstadt des Reiches der Svear, in dem sich die königliche Familie der Ynglinge von Gott Frey herleitet. Der Missionar Adam von Bremen berichtet von der Unzahl von geopferten Menschen, Pferden und Hunden, die ringsum in den heiligen Bäumen hingen. Diese Schilderung, die er vom dänischen König Sven Estridson gehört hatte, wird heute allerdings bezweifelt, weil sie wahrscheinlich mehr dem Ziel diente, die christliche Mission im barbarischen Norden zu verstärken. Noch 1555 versucht der Theologe und Historiker Olaus Magnus, das Aussehen des heidnischen Tempels zu beschreiben.

Die Pyramiden Altgermaniens

Sicher ist, dass es sich um wirklich mächtige Familien gehandelt haben muss, denn sonst niemand hätte die gewaltige Arbeit der Aufschichtung dieser Hügel veranlassen und durchhalten können. Nur mächtige Könige konnten es wagen, die Gräber so demonstrativ auf den Fundamenten einer Endmoräne aufbauen zu lassen, die sich geologisch gesehen nördlich davon fortsetzt und noch 50 km weit bis in die Ostsee reicht.

Im Jahre 1830 wurde auf Geheiß König Karls XV zuerst der Osthügel geöffnet. Mit dem kümmerlichen Fund eine Gefäßes mit Überresten einer Brandbestattung konnte die damalige Archäologie aber noch nicht viel anfangen. Mit Brandbestattungen verband sich die Vorstellung: Je höher der Rauch steigt, desto höher in Walhalla gelangt der Tote, und je mehr Beigaben er hat, desto mächtiger wird er sein. Diese Vorstellung der Germanen von einem Totenreich, das dem irdischen so ähnlich sah, ist ein Teil der Unerlöstheit, die in ihrem Weltbild steckt. Erst ab Ende des 6. Jahrhunderts kam es zu immer mehr Bootsbestattungen, von denen auch in Alt-Uppsala Überreste zu finden waren.

Echte Funde - Wunschdeutungen

Nur 44 Jahre später, 1874, wurde der Westhügel eröffnet. Der mittlere wurde nie geöffnet. Es gelang aber eine relativ genaue Datierung auf die Jahre 475-580 der drei Haupthügel. Unter der heutigen Pfarrkirche von Alt-Uppsala fand man 1926 Reste von 30 Pfählen im Boden. Das deutete man gerne als Zeichen des Tempels. Heute aber hält man sie eher für Überreste einer Königshalle, und bezweifelt, dass es überhaupt ein Tempelgebäude gab. Zumal das „sala“ im Ortsnamen auf das altnordische „salr“ für „Halle“ zurückgeht.

  Ritterspiele vor den Königsgräbern von Gamla Uppsala
Foto: Gamla Uppsala Museum
Ritterspiele vor den Königsgräbern von Gamla Uppsala

Im 9. Jahrhundert verliert Alt-Uppsala seine umfassende Bedeutung als Stadt und gibt sie an die Handelsstadt Birka im Mälarsee ab. Vielleicht hatte das bereits mit der Landhebung der Ostseeküste zu tun, die bis heute jedes Jahr um 5 cm steigt. Später verlor auch Birka seine Rolle an Sigtuna.

König und Märtyrer: Erik

Das Christentum erreichte den heidnischen Kultplatz sicher erst im 12. Jahrhundert. Schweden wurde 1164 zu einem eigenen, von Bremen-Hamburg unabhängigen Bistum mit Sitz in Alt-Uppsala. Die damalige Kirche war mit 60 m Länge des Hauptschiffs etwa doppelt so groß wie die heutige. Im Jahre 1273 zog das Bistum in das heutige Uppsala und nahm dabei auch das Grab des Heiligen Erik mit. Dieser Missionar Finnlands kam 1159 oder 1160 vor der alten Kirche zu Tode, als ihm ein dänischer König den Kopf abschlug. In Erinnerung an ihn wird noch bis heute der 18. Mai als St. Erikstag mit einer Prozession gefeiert.

Am 18 Mai 2000 wurde auch von König Karl XVI Gustav das neue Museum eingeweiht. Der Holzbau des bekannten Architekten Carl Nyrén scheint von weitem, die Reihe der Königsgrabhügel um einen 4. fortzusetzen. Andere fühlen sich an ein umgedrehtes Wikingerschiff erinnert. Nyrén selbst wies auch darauf hin, dass man das Gebäude mit seinem großen Westfenster auch als ein Auge auffassen könne, das die Geschichte betrachte. Das Holz der unbehandelten Eiche stammt von den Bäumen eines Waldes auf der Insel Visingsö, der vor 100 Jahren einmal für den Bau von Schiffen für den König vorgesehen war.

Odins achtbeiniges Pferd Sleipnir
Foto: Gamla Uppsala Museum
Odins achtbeiniges Pferd Sleipnir
 

Milleniumsprojekt im Touristenzentrum

In jedem Falle bereichert es die Szenerie, die der Tourist um Alt-Uppsala vorfindet: Pfarrkirche, Grabhügel, Kinderbauernhof, Restaurant Odinsburg. In jedem Falle stellt dieses Museum eine Bereicherung der Museenlandschaft Schwedens dar.
Altertümer der germanischen Zeit sind ja nun nicht eben eine Seltenheit in Schweden. Dieses Museum schafft es dennoch, zu allem, was man sonst gesehen haben mag, einen Höhepunkt zu setzen.

Nicht einmal in England, das die Wikingerzeit sonst gut und mit innovativen Mitteln berücksichtigt, findet sich ein Museum, das eine so hervorragende Übersicht gibt.

Es ist nicht überreich an Exponaten. Aber die sind in Vitrinen so übersichtlich dargeboten, dass man eine Transparenz der Funde spürt und selber meint, das erkannt zu haben, was die knappen Texte aus ihnen zu folgern wissen. Die Chronik an der Wand wirkt zunächst wie eine Spielerei. Doch dem Nähergetretenen, der die Texte liest, verdeutlicht sie das Erstaunlichste an dem, was das Museum zu zeigen hat: Einmal Kultplatz, immer Kultplatz. Nachdem Alt-Uppsala von den Christen nach üblicher Manier umgedeutet und integriert war, verlor es seine Bedeutung keineswegs. Schon Gustav Vasa hielt regelmäßig Besprechungen dort ab. Der ansonsten zuverlässige Forscher und Lehrer Rudbeck deutete Alt-Uppsala als das sagenhafte Atlantis, und die Griechen und Römer entwickelten ihre Alphabete nach dem Beispiel der Runen.

Germanen-Romantik als Ausgleich für Schmach

Derlei überschwängliche Gefühle waren in Schweden üblich, nachdem es Finnland an die Russen verloren hatte, und man sich gerne anderweitig der heroischen Vergangenheit besinnen wollte. Diese Bewegung wird als „Gothizismus“ bezeichnet. In dieser Stimmung wurde das heutige Restaurant „Odinsburg“ angelegt, in dem es aber auch ganz unspektakuläre Sachen zu essen und zu trinken gibt. Aber sogar der importierte König Bernadotte versäumte nicht, sich in Alt-Uppsala vor den Studenten aus (Neu-) Uppsala zu präsentieren. Von daher überrascht nicht mehr, dass der Ort bis ins 20. Jahrhundert als wichtigstes Symbol des schwedischen Staates angesehen wurde, und sogar der Pabst bei seinem Besuch Schwedens dort eine Messe zelebrierte.

  Kinderspielecke im Museum
Foto: Gamla Uppsala Museum
Kinderspielecke im Museum
Erstaunlich, wer da insgeheim doch die Geste des Rückbezuges – oder der Herleitung von den Alten – für sich benötigt. „Sollte man lieber berücksichtigt haben“, scheint es in vielen gesprochen zu haben.

Bisher zeigte kein anderes Museum den Versuch, die Götter- und Weltvorstellung der Germanen in ein Modell zu bringen: Hier aber kann man an einem solchen überzeugenden und umfassenden Modell alles verstreute Wissen über Thor, Odin und Freya, die Raben und Wölfe in eine Ordnung bringen. Um die Weltesche Yggdrasil herum, auf der flachen Erdscheibe, findet sich die Menschenwelt Midgard. Um sie herum liegt Utgard, wo die Schlange in Meerwasser alles zusammenhält. Die Götter wohnen in Asgard. Die Riesen, Zwerge und Elfen sind angedeutet, die zwischen den Herrschaftsbereichen wandeln können. Hat man das gesehen, versteht man doch auch ein Symbol wie die Schlange der Felsritzungen von Tanum besser.

Und das ist es eben, was dieses Museum leistet: Es lässt besser verstehen. Und darum ist es keineswegs übertrieben zu empfehlen, das man es vor anderen Altertümern besichtigt. Für die schwierig darzustellende Epoche dieser Zeit ist es das museumsdidaktisch Beste, was man finden kann.

A. Martin Steffe

Gamla Uppsala Museum, Disavägen, S-75440 Uppsala.
www.raa.se/gamlauppsala