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Putzen ja, aber nicht zu früh


Zahnpflege für Fortgeschrittene

Etwa jede 20. Person in Deutschland schädigt
ihr Gebiß durch nächtliches Zähneknirschen.
Das schätzt Karl-Heinz Sundmacher, Zahnarzt
und Leiter der Initiative proDente in Köln. Wenn
das Zähneknirschen wegen des unangenehmen Geräuschs nicht schon von einem Angehörigen bemerkt wird, fallen die übermäßigen Abnutzungserscheinungen erst dem Zahnarzt oder dem Patienten selbst auf.
Spannungskopfschmerzen der Kopf- und Nackenmuskulatur können schon früher auf das versteckte Problem hinweisen.
Generell beobachten die Zahnmediziner, dass die nicht bakteriell verursachten Schäden der Zähne zunehmen, während die bakteriellen Schädigungen erfreulicherweise abnehmen.

Am häufigsten stehen psychische Probleme hinter der massiven Zahnschädigung durch das nächtliche Knirschen. Die Betroffenen haben - wie der Volksmund sich zutreffend ausdrückt - „an etwas zu knabbern” oder „kauen ein Problem durch”. Insofern kann psychotherapeutische Hilfe sehr wirksam sein. Entspannungstechniken wie autogenes Training sind auch zu empfehlen. Andernfalls kann man mit einer Kauschiene das Gebiß vor dem enormen Druck von 300 Kilo bei Frauen und 400 Kilo bei Männern schützen. Sonst werden die Schneidkanten und Kauflächen abgerieben, es kommt zu Rissen im Zahnschmelz, oder die Zähne lockern sich.

Auch gesunde Lebensmittel können schaden

Manchen Menschen ist die Gesundheit ihrer Zähne so wichtig, dass sie deshalb zuckerhaltige Lebensmittel meiden. Mit Erfolg. Jedoch enthalten auch gesunde Lebensmittel wie Apfelsinen, Bananen, Äpfel, Vollkornbrot, Honig, Trockenfrüchte oder Fruchtsäfte in ihren Säuren und Stärken Stoffe, die dem Zahn grundsätzlich schaden können. Die Bakterien, die sich natürlicherweise in der Mundhöhle befinden, bauen nicht nur die Kohlehydrate der süßen Versuchungen zu Säuren um sondern auch die gesunden, komplexen Kohlehydrate in Brot, Nudeln, Reis oder Kartoffeln. Zusätzlich zum Vermeiden aller Schädigungen kommt es also darauf an, die unvermeidlichen Belastungen geschickt zu kompensieren. Hauptgefahr ist, dass die so entstehenden Säuren dem Zahnschmelz seine Mineralstoffe entziehen, so dass Karies entstehen kann. Von großer Bedeutung sind hierbei auch, wie häufig etwas verzehrt wird, und wie klebrige die gegessenen Produkte sind.

In ungünstigen Fällen geht nach dem Schmelz auch das darunter liegende Dentin verloren. Das zeigt sich an Verfärbungen oder Überempfindlichkeit der Zähne. Wenn man die möglichen Zahnschädigungen durch gesunde Lebensmittel ausgleichen will, so gibt es dazu zwei Hauptstrategien: Erstens das Zähneputzen. Von entscheidender Bedeutung ist hierbei jedoch, dass man es nicht gleich nach der Mahlzeit tut. Dann nämlich sind die Zähne möglicherweise durch Säuren angegriffen, und Putzen würde diesen Effekt nur verschlimmern. Erst nach etwa einer Stunde Pause, wenn der Speichel schon wieder etwas neutralisieren konnte, sollte man dann auch putzen. Das klappt desto besser, je mehr Lebensmittel man ißt, die ein Kauen erfordern, also beispielsweise mehr Brot statt Kuchen. Wer von Süßigkeiten nicht lassen kann, sollte diese wenigstens zu den Hauptmahlzeiten essen und nicht über den Tag verteilt. Gibt es keine Möglichkeit zum Zähneputzen, dann ist das Spülen mit klarem Wasser oder Milch schon eine große Hilfe. Oberstes Ziel muß sein, die Einwirkzeit von Säuren möglichst kurz zu halten.

Käse schließt den Zahn

Zweitens können einige Lebensmittel auch wiederum schützen. Milch remineralisiert den Zahn und wirkt darüber hinaus neutralisierend auf die saure Mundflora. Das in Käse enthaltene Fett bildet einen Schutzfilm, der sich vorübergehend über den Zahn legt. Einige Käsesorten wirken sogar direkt karieshemmend. Zusätzlich remineralisiert das im Käse enthaltene Kalzium den Zahn. Gute Wirkung haben auch fluorhaltige Lebensmittel. Das sind etwa fluoridisiertes Speisesalz, Seefisch, Schalentiere und grüner oder schwarzer Tee. Tee wirkt zweifach durch Gerbstoffe, die das Wachstum von Kariesbakterien hemmen, und durch die Fluoride, die den bakteriellen Kohlehydratabbau hemmen, indem sie ein bestimmtes Enzym unschädlich machen.

All diese Empfehlungen, die mit dem Bekämpfen von zu viel Säurewirkung zu tun haben, gelten in besonderem Maße für Menschen, die an Bulimie leiden. Denn zusätzlich zu den aus Lebensmitteln stammenden Säuren kommt hier Magensäure in die Mundhöhle. Sie verätzt die Zähne äußerst aggressiv und in kurzer Zeit. Denn die Mundhöhle von Bulimiepatienten bleibt deutlich säurehaltiger als die von Gesunden. Zuerst zeigen sich bestimmte Mulden an Front- und Eckzähnen. Nach zwei Jahren zeigen sich auch an den Oberkieferzähnen starke Veränderungen. Bulimiepatienten sollten bis zur Lösung ihres Grundproblems von Fluoridspülungen reichlich Gebrauch machen. Rauchen und Alkoholgenuß schaden den Zähnen, da sie die Durchblutung des Zahnfleisches verschlechtern und so den Zahnhalteapparat schwächen.

Muskelspiele sind unangebracht

Erfreulicherweise hat sich das Zahnputzverhalten der Bevölkerung gebessert. Jetzt kommt es darauf an, dass sie Feinheiten bei der Zahnputzpflege antrainiert: Die Bürste soll keinesfalls „hart” sondern „weich” sein. Mit einem Druck von höchstens 20 Gramm sollte geputzt werden - das ist so viel wie ein Normalbrief wiegt! Man darf nicht vergessen, dass die Auflagefläche der Bürste ja nur klein ist, und der ausgeübte Druck schon viel höher liegt, als man mit der Hand nur auszuüben meint. Waagerechtes Putzen ist tabu. Zahnpasten mit Scheuerwirkung sind tabu. Sehr zu empfehlen hingegen ist die zusätzliche Pflege mit Zahnseide. Mit ihrer Hilfe kriegt man auch kleinste Lebensmittelreste aus Zwischenräumen, die man auch mit besten Bürsten nicht erreicht.

A. Martin Steffe