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Die Prostata ist nicht an allem schuld

Krankheitszeichen werden neu bewertet, um Überdiagnose zu vermeiden

Rom (ams). Männer mit Beschwerden im unteren Harntrakt rechnen in zu vielen Fällen mit der Vorsteherdrüse. In zu vielen Fällen werden sie auch von den Ärzten so behandelt. Zwar wird bei allen alten Männern die Prostata vergrößert sein. Sie muß aber nicht die eigentliche Ursache der lästigen Beschwerden sein. Die Störung beim Entleeren, der häufigere und nächtliche Harndrang, das schwächere Fließen können in vielen Fällen darauf beruhen, daß der Harntrakt insgesamt gealtert ist. Viele der von Männern genannten Beschwerden können Frauen genauso bekommen. In Zukunft muß also genauer abgeklärt werden, woher die Beschwerden des Betroffenen wirklich kommen. Anders kann man nicht wirksam genug helfen, und die Diagnostik wird unnötig aufwändig gemacht, da man nach der falschen Ursache fahndet.

„Die Symptome der Krankheit sind wichtige Zeichen, aber sie sind keine zuverlässigen Wegweiser für die Therapie”, unterstrich Michael Marberger, Professor am Allgemeinen Krankenhaus Wien auf einem internationalen Urologenkongreß in Rom. Die bisher als zuverlässig geltende Messung von Harnfluß und Restharn in der Blase sind im Hinblick auf die Prostata keine so sicheren Vorhersagen wie bisher angenommen. Ihre Bedeutung muß neu ermittelt werden. Demgegenüber wird die Bedeutung der Größe der Vorsteherdrüse bestätigt: Bei den Männern, die sich mit einer großen Drüse vorstellen, kann der Arzt auch davon ausgehen, daß sie weiter rasch wachsen wird und keineswegs ihre Endgröße erreicht hat. Bestätigt wird auch die Bedeutung des prostata-spezifischen Antigens (PSA), das sich im Blut messen läßt: Ist es niedrig, sind die Aussichten des Mannes noch gut.

Wenn die Beschwerden allerdings tatsächlich von der Vorsteherdrüse her rühren, dann wird in Zukunft auch die Form der Drüse beachtet werden müssen. Das geht mit einem Ultraschallgerät, das in den Enddarm geschoben wird. In Singapur wurde im Rahmen einer großen Untersuchung festgestellt, daß die birnenförmig in die Blase wachsene Prostata den Harnabfluß am schlimmsten stört und daß sie auch am ehesten in Krebs übergeht.

Mehr Aufmerksamkeit sollte der Arzt künftig den entzündlichen Beimengungen im Harn beimessen. Die Prostatitis stellt ein starkes Warnsignal dar. Da sie so schwer beherrscht werden konnte, hat man sich ihr bisher nicht so viel gewidmet. Aber ihre Bedeutung ging eindeutig aus einer italienischen, zwanzigjährigen Untersuchung von rund 4.000 operierten Vorsteherdrüsen hervor. Insgesamt fällt heute bei einer wachsenden Zahl von Männern die Prostatitis auf. Die neuesten Medikamente wirken aber auch erfreulich gut gegen die Prostatitis.

Zuverlässige Aussagen über den Verlauf und die erforderlichen Maßnahmen wird der Arzt in Zukunft anhand der Blasenwanddicke machen können. Die dazu erforderlichen Ultraschallgeräte sind in Praxen und Kliniken noch nicht verbreitet. Die Forschung aber hat ermittelt, daß die Blasenwanddicke eine genaue Diagnose ergibt.

Der Grund für das Wachsen der Vorsteherdrüse kann inzwischen auch genauer angegeben werden. Beim Jungen Mann herrscht eine Balance zwischen absterbenden und neu nachwachsenden Zellen. Beim alten Mann sterben unter dem Einfluß des geänderten Hormonhaushalts zu wenige Zellen ab. Dadurch wird die Balance gestört, und das Organ wächst. An dieser Stelle greifen die neuesten Medikamente an: Sie berichtigen das Gleichgewicht zwischen nachwachsenden neuen und absterbenden alten Zellen, indem sie das Absterben fördern.

Die Gruppe der Finasteride hat diese Wirkung darüber hinaus auch bei den seltenen Prostatablutungen so erfolgreich belegt, daß die Chirurgen diese Medikamente jetzt auch zur Vorbehandlung der Patienten nehmen, um die Blutungen während der Operation so gering wie möglich zu halten. Das gelingt sogar bei den Patienten mit Prostatakrebs. Im allgemeinen stoppen die Medikamente das Wachstum der Prostata. In vielen Fällen bilden sie sie sogar um 20 bis 24 Prozent zurück.

Die Prostatabeschwerden nahmen in allen Ländern zu, besonders stark abe dem Jahr 1985. Man weiß aber nicht genau warum. Zwischen 1975 und 2000 hat sich die Zahl der Fälle fast verdoppelt. Die höchsten Raten finden sich in den USA und hier wiederum unter den Schwarzen. Genetische Veranlagungen scheinen demnach eine Rolle zu spielen.

Die deutlich niedrigeren Raten in China, Korea, Vietnam, Indien und Algerien veranlaßten viel Forscher zu Untersuchungen darüber, ob wohl die Ernährungsweise vor Prostatabeschwerden schützen kann. Eindeutig positiv ist fettarme und pflanzenreiche Kost. Die Schutzwirkung von Tofu wird auch dadurch bestätigt, daß in Ländern, in denen viel Tofu gegessen wird, auch die Brustkrebsrate der Frauen viel niedriger liegt als in westlichen Ländern. Überkalorische Ernährung ist besonders krebsgefährdend. Gute Wirkung scheinen auch Selen und die Vitamine D, A und E zu haben. Das ging aus Untersuchungen zu ganz anderen gesundheitlichen Themen wie Hautkrebs oder Lungenkrebs hervor. Die Forscher stellten bei Kontrollen der Versuchspersonen mit Erstaunen fest, daß die älteren Männer weniger Prostatabeschwerden hatten. Daraufhin werden die Vitamine und Selen jetzt gezielt auf ihre Bedeutung für die Vorsteherdrüse hin untersucht.

In jedem Falle sind die Beschwerden der älteren Männer ernst zu nehmen. Denn Störungen beim Wasserlassen wirken sich sofort auf das Sozialverhalten und die Aktivitäten des alten Mannes aus. Das aber beschleunigt nur den Alterungsprozeß.

Die Medikamente erweisen sich als sicherer denn die teilweise noch experimentellen Verfahren wie Wärme, Laserstrahl, Mikrowellen oder Ultraschall. Erst wenn wirkliche Sperren vorliegen, sind operative Verfahren sinnvoll. Durch die Medikamente kann der Arzt viel therapeutischen Spielraum gut machen.