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Alles früher: Früher diagnostizieren, früher behandeln, früher kombiniert behandeln und früher Insulin geben

Ärzte wollen Insulinangst nehmen: Die basalunterstützte orale Therapie (B.O.T.) ist auf dem Vormarsch

Bühlerhöhe (ams). Mehr Diabetiker könnten das Therapielziel, den Blutzucker (HbA1c) unter dem Wert von 7 Prozent zu halten, erreichen, wenn sie bereit wären, zusätzlich zu ihren Tabletten Insulin zu spritzen. Mit nur 55 Prozent aller Diabetiker erreichen diesen Normwert zu wenige von ihnen. Das sind das Ergebnis und der Schluß aus den jüngsten großen internationalen Studien CODE II und UKPDS. Die Deutsche Diabetesgesellschaft empfiehlt nunmehr ausdrücklich, das mehr Patienten vom Insulin Gebrauch machen und dass es ihnen früher als bislang üblich empfohlen wird.

„Ich wußte gar nicht, wie schlecht ich mich fühlte!”

Grund für den zu späten und zu geringen Einsatz von Insulin ist, dass die Patienten eine Sperre gegenüber Insulin empfinden. Sie sehen es als Zeichen für ein besonders schweres Krankheitsbild an, sie vermuten, dass sie auf Insulin festgelegt bleiben, und sie befürchten Infektionen. Dabei hat die Technik den Patienten die Insulingabe mithilfe von Fertigspritzsystemen denkbar einfach gemacht. Die Patienten jedoch, die sich auf die Einnahme ihrer Basaldosis von Insulin einlassen, möchten es nicht mehr aufgeben, zumal einige von ihnen eine deutliche Besserung ihres Empfindens erleben.

Zunehmende Insulinresistenz, nachlassende Insulinsekretion

Dass die Patienten sich mit Basalinsulin besser fühlen, ist keineswegs nebensächlich. Es ist vielmehr Ausdruck dafür, dass die alleinige orale Therapie des Diabetes mellitus mit dem Älterwerden des Patienten einfach unzulänglich wird. Eine einmal gewählter, durchaus guter Therapieansatz kann nicht lebenslang der richtige bleiben. Das Ansprechen des Patienten ändert sich.

Erschwerend kommt hinzu, dass die meisten Diabetiker weitere Medikamente wie Mittel gegen Bluthochdruck, für das Herz, gegen Blutfette u.a. benötigen. Anstatt nach Erschöpfen des Therapiekonzepts noch weitere orale Antidiabetika hinzuzufügen, kann es sogar sein, dass sich für den Diabetiker Einsparungen ergeben, weil sich sein Organismkus mithilfe des Insulins besser einstellen läßt.

Physiologische Insulinantwort nur bei normoglykämischem Nüchternblutzucker

Die großen Vorteile der Gabe dieses 24-Stunden-Insulins sind, dass bei ihnen die Gewichtszunahme geringer ausfällt und dass es nachts erheblich weniger zu Hypoglykämien kommt. Der Übergang von der reinen Tablettenbehandlung zur Kombination von Tablette und Insulin ist immer dann gegeben, wenn sich ein normnaher Nüchternblutzucker nicht mehr erzielen läßt. Denn dann kann auch während des weiteren Tages kein normnaher Blutzuckerverlauf mehr erzielt werden. Der erhöhte Nüchternblutzucker bedeutet ferner, dass die Insulinantwort auf den morgendlichen Verzehr von Kohlehydraten abschwächt. Drittens nimmt die Zuckerproduktion in der Leber zu, je höher der Nüchternblutzucker ausfällt. Viertens ist auch die Glukoseaufnahme im Muskel umso geringer, je höher der Nüchternblutzucker ist. Von daher liegt nahe, gar nicht erst lange mit oralen Antidiabetika mehr zu experimentieren sondern mithilfe des zusätzlichen Insulins ein besseres Stoffwechselprofil zu erreichen. „Die basalunterstützte orale Therapie (BOT) ist das ideale Therapieprinzip für Patienten mit Diabetes Typ II”, sagt Eberhard Standl, Professor am Krankenhaus München-Schwabing, zum neuen Behandlungskonzept.

„Werde ich denn nicht insulinabhängig?”

Wichtig ist die rechtzeitige Optimierung der Therapie, weil die möglichen schweren Begleiterscheinungen des Diabetes mellitus, Herzinfarkt, Schlaganfall, Amputationen oder Dialyspflichtigkeit ja nicht erst „Spätschäden” sondern „Folgeschäden” sind. Herzinfakrtpatienten kosten die Kassen jährlich rund 26.000 Euro, Schlaganfallpatienten 35.000 €, Amputationen 36.000 € und Dialyspflichtigkeit 85.000 €. Durch rechtzeitige Insulingabe ließen sich viele dieser Kosten vermeiden. Umgekehrt wird die kombinierte Therapie (BOT) durch die Hereinnahme des Insulins insofern nicht teurer, weil der orale Arm der Therapie natürlich auch die erforderliche Insulindosis niedriger hält, als stiege man gleich völlig auf Insulin um.

60 Prozent der Diabetiker werden ausschließlich oral behandelt

Die ausschließlich orale Therapie ist die Therapie der Bequemlichkeit. Ärzte können mehr Patienten für die Insulineinnahme gewinnen, wenn sie es ihnen zunächst einmal auf Probe anbieten. Fast alle Patienten sind über dieses Angebot erstaunt und fragen, ob man denn nicht abhängig werde. „Sie sollen nicht Heroin, sondern Insulin nehmen,” sagt Thomas Haak, Professor am Diabeteszentrum Bad Mergentheim dann seinen Patienten. Inzwischen sind die klinischen Forscher auch nicht mehr der Ansicht, dass das Basalinsulin zur Nacht genommen werden müßte. Es ist ebenso segensreich zu anderen Tageszeiten, jedoch sollten es immer dieselben bleiben.

A. Martin Steffe

Basalunterstützte orale Therapie beim Typ-II Diabetiker. Presseworkshop der Avents Pharma Deutschland GmbH. Bühlerhöhe, 6.7.2002.