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Asthma unter Kindern auf dem Vormarsch

Alte Krankheit, keine Entwarnung: Asthma kann jeden in jedem Alter treffen

Kampen (ams). Bronchialasthma ist unter Kindern die häufigste chronische Erkrankung. In den letzten zehn Jahren stieg seine Häufigkeit dramatisch.
War bis vor etwa fünf Jahren erst jedes zehnte Kind betroffen, so ist es heute jedes achte. Das sind etwa zwei je Schulklasse. In Deutschland sind demnach insgesamt rund 1,5 Millionen Kinder betroffen. Immer noch sterben jährlich rund 5.000 Menschen in Deutschland an Asthma, obwohl die Krankheit seit Urzeiten bekannt ist. Das ist das Ergebnis der internationalen ISAAC-Studie über die Verbreitung von Asthma. Sie erfaßte 722.000 Erwachsene aus 38 Ländern und 464.000 Kinder und Jugendliche aus 56 Ländern.

Gründe für die Zunahme sind unser veränderter Lebensstil, die Zunahme von Stickoxyd, Ozon und Schwefelstaub in der Luft. Die Ursache selbst liegt jedoch in einer bestimmten erblichen Veranlagung zu einer Schwäche der Schleimhäute in der Lunge. Chronischer trockener Husten bei Kindern kann ein erstes Anzeichen für die Veranlagung sein oder sogar den ersten Anfall auslösen. Andere Auslöser können Virusinfektionen, psychische oder körperliche Belastungen sein. Erschwerend kommen Reize wie durch Pollen, Staub, Milben Haare von Haustieren oder chemische Reizstoffe am Arbeitsplatz hinzu. Unzureichend behandeltes Asthma kann zu bleibenden Folgeschäden führen. Das sind vor allem die Flüssigkeitsansammlung in der Lunge, das Emphysem, oder eine Rechtsherzschwäche.

Anstrengungsasthma tritt bei 80 Prozent der betroffenen Kinder beim Spielen im Freien auf. Wenn diese Anfälle in milder Form auftreten, werden sie leicht mit Konditionsschwäche oder Infekten verwechselt. Früher führten ein paar Anfälle dazu, dass Schulkinder fälschlich ganz vom Sport befreit wurden.

Noch immer ist nicht restlos geklärt, welche Abläufe im Körper die Asthma-Attacke im Freien schließlich auslösen. In jedem Falle aber handelt es sich um einen Verlust an Wärme und Feuchtigkeit im Bronchialbaum. Kalte Luft ist ein ganz besonders gefährlicher Auslöser. Manche sogar routinierten Skilangläufer, wie es sie vor allem in Norwegen gibt, haben durch hartes Training ihre Asthmaveranlagung zum Ausbruch gebracht. Entscheidend ist vermutlich, dass die Blutgefässe in den Bronchien wegen der Kälte und Trockenheit stärker durchblutet und dadurch enger werden. Für diese Kettenreaktion spricht, dass Medikamente mit dem Stoff DNCG (Dinatriumsalz, Cromoglicinsäure) bei akutem Anstrengungsasthma sofort helfen, obwohl sie eigentlich keine bronchienerweiternde Wirkung haben.

Manchmal treten die Fälle von Anstrengungsasthma gerade in kurzen Pausen auf. Während der Anstrengung nämlich wird mehr Adrenalin ausgeschüttet. Das erweitert die Luftwege. Wenn es danach wieder abfällt, können sich auch die Luftwege wieder verengen.

Den störenden und nicht ungefährlichen Unterbrechungen können Eltern wirksam vorbeugen, indem sie ihre Kinder anhalten, etwa 30 Minuten vor dem Sport zu inhalieren. Dazu gibt es Kombinationen von entzündungshemmenden mit bronchialerweiternden Arzneimitteln. Mit solchen kortisonfreien Medikamenten können sogar Leistungssportler sich so wirksam schützen, dass sie selbst bei der trockenen Kälte von Eisschnelllaufstadien zu Olympiasiegen gelangen!

Heute sind alle Ärzte einhellig der Ansicht, dass Kinder mit Asthmaproblemen im Schulsport bleiben sollen. Sport ist nicht nur aus sozialen Gründen wichtig. Er unterstützt sogar die Therapie. Regelmäßiges Training setzt die Reizschwelle für die Auslösung eines Asthmaanfalles höher. Sportliche aktive Asthmakinder haben weniger Anfälle, weniger Atemwegsinfekte und benötigen geringere Dosen von Arzneimitteln. Jugendliche dürfen auch Kraftsport treiben, wenn sie 15 bis 30 Minuten vor dem Training per Inhalation dem Asthmaanfall vorbeugen. Die dafür geeigneten Arzneimittel vereinen zwei Wirkstoffe, die sich gegenseitig verstärken. Daher sind sie zusammen geringer dosiert, als für jeden einzelnen der beiden Wirkstoffe nötig wäre.

Während der letzten Jahre nahm das Asthma bronchiale insbesondere bei Kindern unter zwei Jahren deutlich zu. Die rechtzeitige Therapie mit nebenwirkungsarmen Mitteln sollte ihnen nicht vorenthalten werden. Denn nur so kann der Einsatz von Kortisonen so lange wie möglich aufgespart werden. Aus Vorsicht gegenüber möglichen Dauerschäden des noch wachsenden kindlichen Organismus setzen die Ärzte eine Dauertherapie bei Kindern früher als bei erwachsenen Asthmatikern an. „Diese Medikation hat keine Schäden für die Kinder, im Gegenteil: Nichtbehandelte Kinder würden nur noch weniger wachsen!” Das sagte Carl Peter Bauer, Professor für Lungenheilkunde in München und ärztlicher Leiter der Fachklinik Gaißach in Oberbayern.

Ein neues Stufenschema zur Behandlung von Asthma hat die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie (Lungenerkrankungen bei Kindern) vorgestellt. Grund dafür war die Feststellung, dass sich das Asthma bronchiale bei Kindern eher zu bestimmten Zeiträumen häuft. Im Sommer kommt es wegen Pollen, im Winter wegen Infekten zu mehr Anfällen. Die Gesellschaft unterscheidet deshalb jetzt nur noch drei statt vier Stufen. Das sind sporadisches, episodisches und persistierendes (andauerndes) Asthma. Kinder mit sporadischem Asthma können lernen, ohne Medikamente zurechtzukommen. Kindern mit episodischem Asthma wird das Medikament mit der Kombination von Reproterol und DNCG empfohlen, besonders bei Pollen- und Anstrengungsasthma. Schwer betroffene Kindern können weitere Medikamente bis hin zum Kortison bekommen. Mittel, die FCKW enthalten, werden heute nicht mehr berücksichtigt, obwohl dadurch einige sehr gute Arzneimittel verloren gehen.

Hohe Belastung der Luft mit Pollen oder Allergenen bedeutet nicht zwangsläufig, dass es auch mehr Asthmatiker gibt. Das zeigten die großen Unterschiede, die die ISAAC-Studie offenbarte. Große Höhenlagen sind vor allem wegen geringerer Milbenbelastung von Vorteil. Starke Auslöser für Anfälle sind hingegen Gewitter und Ozongehalt. Heutzutage ist auch ein Aufenthalt in Seeluft nicht mehr erforderlich, da ausgezeichnete Medikamente überall erhältlich sind. Als Begleitmaßnahmen sind Aufenthalte in Höhenluft oder an der See nach wie vor empfehlenswert. Das unterstrich Dieter Kiosz, Professor für Lungenheilkunde und Leiter der Kinderfachklinik „Satteldüne” auf Amrum. Die ISAAC-Studie ergab auch, das Impfungen, insbesondere die Tuberkulose-Impfung, einen gewissen Asthmaschutz nach sich ziehen. Je mehr Kinder in einer Familie sind, desto weniger sensibilisiert ist das jüngste Kind. Sehr nachteilig hingegen wirkt sich die Dickleibigkeit von Kindern auf ihr Immunsystem aus. Tabakrauchen von Eltern läßt eine bestehende Veranlagung nicht eher ausbrechen. Aber wenn ein Asthma bronchiale besteht, dann löst es Anfälle leichter aus.

Die Atemleistung anhand des Flußwertes der 1. Sekunde (FEV1) zu messen reicht bei Kindern nicht aus. Ihr Zustand kann nur mithilfe auch der mittleren Luftströme genau ermittelt werden. Überhaupt müssen auch Kinder sich daran gewöhnen, nach festem Schema ihre Atemwerte zu messen, so wie das Diabetiker mit ihrem Blutzucker machen müssen. Nur so kann der Arzt objektiv den tatsächlichen Arzneimittelbedarf des Kindes ermitteln. Sehr wichtig ist, bei den Messungen immer dasselbe Gerät zu benutzen. Denn zwischen den Geräten verschiedener Hersteller kann es deutliche Unterschiede auf den Skalen geben. Noch besser ist hingegen, stets zwei Geräte zur Messung zu benutzen. Wichtig ist ebenfalls, die Skalen immer wieder auf Null zurückzustellen.

A. Martin Steffe

Reutlingen, den 1. Mai 2003