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Buchbesprechungen


An Gesundheit kann man sich gewöhnen

Haferkur für einen gesunden Stoffwechsel

Hamburg (ams). Dem Buch ist anzumerken, dass Keuthage Diabetiker berät und insofern schwer und chronisch Erkrankte. Sein direkter Kontakt zu vielen Patienten trägt dazu bei, dass er sich im Unterschied zu vielen anderen Arztpersonen wirklich und durchgängig verständlich ausdrückt. Dass Haferspeisen in so hohem Maße gesund sind und so vielfältig eingesetzt werden können sollte diejenigen, die noch gesund sind, dazu anregen, dass sie frühzeitig lernen und aus vermehrtem Haferverzehr eine gesunde Gewohnheit machen. Gesund zu bleiben ist kein Hokuspokus sondern eine Frage der Organisation: Bringe ich fertig, Gesundes in den Alltag zu integrieren und beizubehalten? Oder muss es erst immer eine Gesundheitsstörung sein, die zur Besinnung und Änderung führt? Wenn man die leckeren Rezepte sieht und liest, die die Hälfte des Buches einnehmen, dann darf das doch kein Problem sein. Nein, es geht nicht nur um weißlichen Haferschleim (wiewohl der schon topgesund ist)! Da geht es auch um Schokocremes, Kaiserschmarrn, Plätzchen, Kuchen, brownies, Pizza, Bananenbrot und viele Leckereien mehr!

Keuthage unternimmt es aber schon im Vorbereitungsteil, die Zusammenhänge gut und umfassend zu erklären. Über die Eigenschaften und Wirkungen des Hafers selbst hinaus behandelt er auch Nüsse, Leinsamen, Gemüse, Milchprodukte, Obst und Gemüse. Zwar stets ausgehend von ihrer Kombinierbarkeit mit Hafer, aber auch im Hinblick auf einzelne Stoffe wie die Zuckerarten, Fette, Fettsäuren und Gluten und ihre Bedeutung. Zu einigen dieser Stoffe wie etwa Fruchtzucker und Ballaststoffe führt er sogar Tabellen an. Ferner stellt der Ernährungsmediziner auch Konzepte von strengen und gemäßigten Hafertagen vor, aber auch Mahlzeitentests, wie Diabetiker die Wirkung von Hafertagen feststellen können. Dieser Ernst der Schwerkranken im Hintergrund bleibt aber so dezent, dass nur der Entschluss übrig bleiben dürfte: Wieso warten, wenn gesunde Ernährung auch noch Spaß machen kann und schon anhand nur eines Produktes verwirklicht werden kann?

A. Martin Steffe

Keuthage, Winfried: Die Haferkur für einen gesunden Stoffwechsel. Natürliche Hilfe bei Diabetes, Fettleber und Fettstoffwechselstörungen. Stuttgart, 2022 (Trias). 144 Seiten, €17,99. ISBN 978-3-432-11429-3

Vitaminmangel trotz gesunder Ernährung

Therapie überrascht mit anderem Wertekonzept

Dieses Buch ist auf dem medizinischen Büchermarkt die wichtigste Erscheinung des Jahrzehnts (mindestens). Das ist weder Schmeichelei vor dem Verlag noch Übertreibung. Der Autorin gelingt nicht weniger als einen eigentlich so naheliegenden und bedeutenden therapeutischen Spielraum zu beschreiben, dass man nur den Kopf schüttelt, wieso er noch im 21. Jahrhundert dargelegt werden muss. Nämlich die Optionen durch hochdosierte Nährstoffe (Hormone, Vitamine, Mineralien).

Das beklagt die Autorin selbst und schüttelt den Kopf darüber, dass die Schulmedizin sich darauf beschränkt, nur zu vermitteln, wie man die Katastrophen kurz vor dem Sterben beeinflusst, aber nicht, wie man die Grauzone zwischen völlig symptomfreier Gesundheit und schwerer Krankheit behandelt. Manche Ärztinnen und Ärzte verspüren "weder Neugier noch Lust", Befindlichkeitsstörungen ihrer Patienten nachzugehen. Sie muss es wissen. Denn sie hat ja selbst die schulmedizinische Ausbildung samt Fachärztinnenausbildung (Innere Medizin, Schwerpunkt Niere) durchlaufen.

Mindestwerte sind andere als therapeutische Werte

© J. Gersina/Thieme

Die Sache kam ins Rollen, weil ihr auffiel, dass viele ihrer Patientinnen und Patienten glaubhaft versichern konnten, dass sie sich richtig und gesund ernährten, aber trotzdem diese oder jene Beschwerden hätten, was eigentlich nicht sein könnte. Das war zu auffällig. Dem ging sie nach und forschte 15 Jahre lang neben ihrer Praxis gründlich zu Hormon-, Mineralien- und Vitamingaben. Laboranalysen des Blutes wurden zu einem Standard. So entdeckte sie komplexe Ausgangssituationen: Manche Patienten wiesen die Normwerte auf, wie sie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) veröffentlicht. Bei anderen zeigten sich erschreckende Mängel, und Orfanos-Boeckel kann nur bestätigen, dass es in der gesamten Bevölkerung einen Mangel an Vitamin B und D gibt.

Der Autorin zeigte sich mit zunehmender Klarheit, dass die von der DGE verbreiteten Normwerte so schulmedizinisch-niedrig sind, dass man halt keine Skorbut und kein Beri-Beri bekommt. Aber zur Therapie vieler Krankheiten und Befindlichkeitsstörungen reichen sie nicht aus, und das ist die Kernbotschaft des Buches: Es sind viel höhere Dosen von Nährstoffen erforderlich; so hoch, dass die Ärzteschaft davor erschrickt, sie zu verordnen, ebenso wie Patienten sie nicht zu nehmen wagen, und Orfanos-Boeckel "kämpfen" muss, dass sie es tun.

Die Lücke zwischen Schicksal und Verhalten

Der Grund für die Unterschiede liegt darin, dass die Menschen schon genetisch unterschiedlich veranlagt sind. Die Autorin führt an, das begegne ihr schon auf ihrem Stammgebiet, der Nierenheilkunde: Manche Patienten haben robuste, leistungsfähige Nieren, andere schwache Nieren. Aber es können noch viel mehr Erklärungen für erhöhten Bedarf herangezogen werden: Die Pille stellt einen schwerwiegenden Eingriff in den gesamten Stoffwechsel der Frauen dar, und ohne begleitende Vitamine sollte sie gar nicht erst verordnet werden. Diabetiker können noch so gut eingestellt sein und sich ernähren, die Krankheit verhindert, dass diverse Nährstoffe aus dem Darm überhaupt aufgenommen werden. Raucher verbrauchen pro Zigarette eine messbare Menge Vitamin C. Schlechte Angewohnheiten wie erhöhter Verbrauch von Süßzeug führen dazu, dass mehr Vitamin B verbraucht wird. Nicht nur der äußere Mensch altert, sondern auch seine Organe, so dass etwa der alte Magen ab etwa 50 Jahren weniger Vitamine lösen und aufnehmen kann. Manche mögen sich zwar viel an Licht und Luft aufhalten und glauben, dass sie ausreichend Vitamin D bilden, aber dem fehlt es an seinen Freunden Calcium, Magnesium, Bor, K2 u.a. (mehrere Vitamine sind auf "Freunde" angewiesen, um wirksam sein zu können). Veganer überschätzen, wie viel der schwierigen Vitamine (z.B. B12) sie sich in tatsächlich ausreichendem Maße anders als durch Fleisch zuführen.

Mit der Ernährung alleine sind also therapeutisch wirksame Dosen von Nährstoffen nicht zu erreichen. Wenn etwa jemand Herzrhythmusstörungen bekommt, so denken auch Schulmediziner brav an möglichen Kaliummangel. Die modernen Patienten werden dann brav versprechen, sie würden mehr Bananen essen, um den Mangel zu beheben. Das ist zwar grundsätzlich eine richtige Überlegung. Doch so viele Tonnen von Bananen können sie nicht essen, dass das hilft. Ohne gezielte Nährstoffzufuhr per Medikament geht es nicht.

Nicht ohne meinen Bluttest

Dazu ist aber eine genaue und spezielle Laboranalyse des Blutes erforderlich, und nicht jedes Labor ist darauf eingestellt. Es muss etwa festgestellt werden können, nicht nur, ob genug Vitamin D da ist, sondern auch, wie viel von seinen beiden Vorformen oder bereits der körpereigenen Form. Denn man muss sogar bei Normalwerten prüfen, ob die Nährstoffe auch da im Körper vorliegen, wo sie in besonderem Maße gebraucht oder vom Körper in der erforderlichen Weise weiter verstoffwechselt werden. Oder ob die erforderlichen Begleiter auch da sind – Vitamin D alleine nützt gegen Osteoporose gar nichts. Es müssen auch Vitamin C, Eisen u.a. in ausreichender Menge vorhanden sein.

Menschen, die sich schon lange mit wiederkehrenden Befindlichkeitsstörungen herumplagen oder die durch neue aufgeschreckt werden, können sich anhand des Buches vorbereiten – klären, was los sein, und was ihnen helfen könnte. Das macht das Buch ihnen leicht, da es zupackend, manchmal flapsig geschrieben ist. Ärzte, die sich erweichen lassen, etwas Ungewohntes (aber Sicheres) zu tun, finden in dem Buch alle nötigen Hinweise, aber vor allem auch Steckbriefe zu jedem Hormon, Vitamin oder Mineralstoff mit genauesten Angaben zu Bedarf, Dosisgröße, Kombinationen und weiteren Daten, so dass sie eine verlässliche Grundlage für ihr neuartiges Tun vorfinden. Alles bereits erprobt. (Dr. Orfanos-Boeckel muss ohne Schlaf auskommen. Wie kann man sonst neben laufender Praxis so viele Fakten zusammentragen?)

Wenn also demnächst mehr Patientinnen und Patienten mit diesem Buch samt Lesezeichen darin zu ihren Ärztinnen und Ärzten gehen und um Blutuntersuchung und hochdosierte Therapie bitten, könnte sein, dass es Unfrieden gibt. Trotzdem hat die Autorin den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verdient. Aber man kann der Ärzteschaft und der schlafenden Schulmedizin diesen Weckruf nicht ersparen: Leute, ihr wisst nicht, was für wunderbare Optionen ihr verschenkt! Ihr könnt eine belastbare, sichere Gesundheit mit gesunden Mitteln erreichen! Man kann nur sehnlichst wünschen, dass die Ärzteschaft diese Chance begreift.

A. Martin Steffe

Orfanos-Boeckel, Helena: Nährstofftherapie. Orthomolekulare Medizin und Bioidentische Hormone. Stuttgart 2022 (Trias). 352 S., €24,99. ISBN 978-3-432-11496-5