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Bazoches liegt zentral in Frankreichs Geschichte

Wohnsitz des Marschalls Vauban jetzt der Öffentlichkeit zugänglich

So viel ist sicher: Geht es nach Burgund, dann stehen das Hospital von Beaune, die Kathedrale von Vézélay, die Zisterzienserabtei von Fontenay und vielleicht auch die letzte Gallierfestung Alesia auf dem Plan.
Ein unauffälliges kleines Juwel, seit kurzem erst der Öffentlichkeit zugänglich, steht noch nicht auf den Reiseplänen der meisten Reisenden und Firmen, dabei liegt es in Sichtweite (6km) von Vézélay: Es handelt sich um das Schloß Bazoches-du-Morvan, Wohnsitz von Frankreichs großem Festungsbaumeister Vauban.

Das Schloß wurde in der Kreuzzugszeit zwischen 1170 und 1190 erbaut, zu etwa der Zeit, in der auch die Basilika von Vézélay entstand. Dort predigte Bernhard von Clairvaux den zweiten Kreuzzug, während ein Ahnherr des Festungsbaumeisters, der Dichter Guy de Bazoches, auf Seiten von Bernhards großem Gegenspieler, Petrus Abaelard, stand. Man nimmt an, dass ein Sohn oder Neffe Guy de Bazoches das Schloß erbauen ließ. Zwar wurde der ursprüngliche Burggraben um 1830 zugeschüttet, was auch Feuchtigkeitsschäden am Mauerwerk des Schlosses verursachte. Im Jahre 1966 legte das 19. Pionierkorps von Besancon voller Stolz auf seinen „Ahnherrn” die Burggräben wieder frei.

Eine Eroberung rettet den Familienbesitz

Erste bedeutende Gäste waren der König Philipp-August und sein Vetter Richard Löwenherz, die mit dem dritten Kreuzzug ins Heilige Land aufbrachen. Der Grundriß des Schlosses ist seit jener Zeit bis auf kleine Änderungen oder Ergänzungen erhalten geblieben. Der Marschall Sébastien Le Prestre de Vauban, geboren 1633, erwarb das Schloß im Jahre 1675. Seine Großmutter hatte ihr Erbe wegen kostspieliger Prozesse aufgeben müssen. Ihr Enkel Vauban konnte es wiedererwerben, weil ihm Ludwig XIV. für die Eroberung Maastrichts im Jahre 1672 eine Belohnung von 80.000 Pfund hatte zukommen lassen. Diese Eroberung war dank Vaubans Genie in weniger als zwei Wochen und bei geringen Verlusten an Menschenleben gelungen. Ludwig XV. war sich der Bedeutung Vaubans nicht minder bewußt. Im Jahre 1725 wurden durch königliches Patent die Gemeinden Boyer und St.Sernin zur Grafschaft Vauban und ein Neffe Vaubans zum Grafen erhoben.

Vom Jahre 1675 an bis zum Tode des Marschalls im Jahre 1707 wurde Schloß Bazoches eine Militärgarnison. Vauban ließ ein neues Portal anlegen, damit auch Kutschen in den Schloßhof fahren konnten, legte Gebäude für die Soldaten im Mansart-Stil an und auch eine Schwemme für die strapazierten Reitpferde.

Im Zweifelsfalle immer „Vauban”

Denn Marschall Vauban war an nicht weniger als 300 Projekten in ganz Frankreich beteiligt und dirigierte die örtlichen Bauarbeiten vom Arbeitszimmer seines Schlosses aus. Auch in Freiburg im Breisgau und Neu-Breisach weisen Straßen- und Stadtteilnahmen auf eine zeitweilige Befestigung nach Art Vaubans hin. An 49 Belagerungen nahm er selbst teil, an etwa 160 Projekten war er selbst vor Ort. Es muß also ein unablässiger Reitverkehr seiner Boten und berichtender Offiziere vom Schloß ausgegangen und zu ihm zurückgegangen sein. Die Vorstellung darf auch der Besucher von heute langsam vor seinem inneren Auge zergehen lassen, dass nämlich der größte Teil der steinernen Erinnerungen, die Vauban überall in Frankreich hinterließ, in diesem Schloß entstanden!

Vauban stand 57 Jahre im Dienste Ludwigs XIV. Das gelang den wenigsten Höflingen und Lakaien, an denen sein Hof reich war. Vauban war für sein völlig unprätentiöses Auftreten bekannt. Es irritierte die Höflinge, nicht aber die Könige, die stets wußten, was sie an ihm hatten.
Vaubans Bedeutung lag darin, dass er Frankreichs Macht und Städte sicherte, als die Waffentechnik neue und neuartige Befestigungen erforderlich machte. „Die Burg ist nicht mehr nützlich”, hatte schon Machiavelli 1523 festgestellt. Ab 1530 entwickelten die Italiener die Befestigungsweise mit Bastionen, was Vauban weiterentwickelte. Er erfand auch die Prallschüsse von Kanonen, durch die mehrere Kanonen auf der Befestigungsmauer untauglich gemacht werden.

Vauban besaß einen Blick fürs Volk

Von Briancon in den Alpen bis nach Brest oder Dünkirchen, von Villefranche-de-Conflent in den Pyrenäen bis Lille, von Toulon bis zur Ile de Ré oder La Rochelle ist ganz Frankreich um heute nurmehr dekorative Zitadellen bereichert. Das bedeutete für Vauban häufige und lange Abwesenheit von Bazoches, das er doch unter allen seinen Wohnsitzen (z. B. auch in Paris in der rue St.Vincent) stets als seine Heimat betrachtete. Man hat errechnet, das er dort zusammengenommen nur etwa vier Jahre gelebt haben kann. Die häufige Abwesenheit im ganzen Lande vermittelte ihm jedoch auch - so wie schon König Heinrich IV - eine genaue Kenntnis des Lebens der Bevölkerung. Im Alter setzte sich Vauban daher vehement für eine neue Besteuerung der gesamten Bevölkerung, den Dîme, ein. An die Stelle tausender Steuern für alle außer Adel und Klerus sollte einzig und allein der Zehnte, also eine proportionale Steuer gemäß dem tatsächlichen Einkommen, für den König treten. Das Buch, in dem der Festungsbaumeister gescheit wie ein alter Volkswirtschaftler räsoniert, brachte ihm manche Feindschaft und das Verbot des Buches ein. Ihm selbst schadete es jedoch nicht. Dazu war das Ansehen seiner Person beim König zu hoch. Seinem klugen und erfahrenen Blick entzog sich auch nicht die Dummheit des Widerrufs des Edikts von Nantes, das den Protestanten ihre Glaubensfreiheit endgültig nahm. Er rechnete vor, wie nachteilig die Flucht der Hugenotten sei und flehte den König an, den Widerruf zurückzunehmen. Das geschah erst 1787. Zu spät.

Kunst und Kunsthandwerk von höchstem Rang

Wer das Schloß Bazoches besucht, tritt also einen Raum, in dem Tatsachen von zentraler Bedeutung für Frankreich geschaffen wurden. Das ist jedoch nicht der alleinige Grund für eine Empfehlung. Die Nähe zum Königshause hat dafür gesorgt, dass die Räume, die von Vaubans Nachfahren, der Familie Arnaud de Sigalas, der Öffentlichkeit vorgestellt werden, an Kostbarkeiten höchsten Ranges reich sind. Allerdings präsentieren sie sich in diesem Landschlosse übersichtlicher und können mußevoller betrachtet werden als es beim Geschobenwerden durch Versailles oder Chambord oder Chenonceau möglich ist.

Die Galerie hat einen Originalreliefplan Vaubans, wie er sie einsetzte, um seine Projekte verständlich zu machen. Tausend Wappenschilder aus Limoges-Porzellan locken immer wieder auch Wappenforscher an. Hinter der Rüstung Vaubans prangt ein flämischer Wandteppich aus dem 17. Jahrhundert, der durch eine besonders schöne Blumenbordüre gekennzeichnet ist. Das Porträt Vaubans entstand erst 1864, während das Bildnis seiner Tochter Charlotte aus ihrer Lebenszeit stammt. Der Bücherschrank stammt von Ludwig XIV., die gewölbte Kommode von Ludwig XV. - man darf im ganzen Hause davon ausgehen, dass das Mobiliar aus den ersten Werkstätten des Landes stammt. Im Vorzimmer des Marschalls sind dessen literarischen Arbeiten versammelt. Sie betreffen größtenteils Militär und Festungswesen, aber auch den Bau von Leuchttürmen und Kanälen. Daneben finden sich auch Abhandlungen über die Entwicklung Kanadas, Landwirtschaft, Schweinezucht und die Ausschweifungen des Geldspiels. Dann folgen auch seine berühmtesten Denkschriften zum Steuersystem und zum Zurückrufen der Hugenotten.

Das ganze Königshaus ist hier näher zu besehen

Auf dem Bord des Schrankes steht das Modell der ersten Statue Vaubans, die in Paris steht. Die Wanduhr stammt aus der berühmten Werkstatt Bouilles. Über dem Kamin im Schlafzimmer des Marschalls hängt ein Reiterporträt Ludwigs XIV. das ein Geschenk des Königs an seinen Festungsbaumeister war. Vaubans Büste aus niederländischer Werkstatt gibt auf der Wange seine Verwundung zu erkennen, die er 1667 vor Douai durch einen Musketenschuß erlitt. Die Porträts zu beiden Seiten des Betts zeigen Ludwig XIV., Monsieur (seinen Bruder), den Grand Dauphin und Marschal Turenne. Im folgenden Zimmer, dem Arbeitszimmer des Marschalls zeigen die sechs Gemälde Quesnels und Clouets die sechs letzten Valois.

Im gelben Salon erinnert das Schiffsmodell an die Beteiligung von Franzosen am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Auch einige aus der Familie Vauban waren unter ihnen. Im Schlafzimmer der Marschallin ist ein Gemälde des Schlosses von Bazoches hervorzuheben, das es mit dem Ausbau der Terrassen durch Le Nôtre zeigt. Der große Festungsbaumeister war mit dem großen Gartenbaumeister befreundet. In der Kapelle fallen Deckengemälde auf, die keine christlichen Motive aufweisen sondern die Kardinaltugenden Vorsicht, Gerechtigkeit, Kraft und Mäßigkeit darstellen.

Große Geschichte beschaulich erleben

Da Vaubans Baumeisterkunst eher Leben erhielt als kostete, mußte das Schloß als sein Andenken während der Revolution keinen Ansturm erleiden. Auch während des Zweiten Weltkrieges blieb es vor Zerstörungen verschont, weil eine Familienangehörige rasch mit ihren Klosterfrauen ins Schloß zog und auf diese Weise als Kloster hinstellte.

Wenngleich das Schloß dank seiner Abmessungen und dank des vergleichsweise privaten Maßes seiner Kunstschätze dem Touristen keinen riesigen Zeitaufwand abverlangt, so lohnt sich der Besuch, weil es fernab der Hauptstadt dennoch ins Zentrum der Geschichte des Landes führt und mit einer wahrhaft großen Persönlichkeit bekannt macht.


A. Martin Steffe